Ein Winter in der Sonne

Reisebericht Karibikfahrt 2012/13

Der erste Kampf

11. März
Bisher haben wir eigentlich nie wirklich kämpfen müssen. Der Wind kam zwar nicht unbedingt immer aus der idealen Richtung, aber wirklich viel mussten wir bisher nicht kreuzen. Auch waren unsere Reiseziele meistens so gesteckt, dass wir unproblematisch umdisponieren konnten. Diesmal jedoch nicht. Unser End-Endziel ist St. Thomas, wo Tina am 27. April verladen und zurück nach Spanien geschippert wird. Und da die Bahamas 1. mindestens 300$ Einklarierung kosten und 2. von Flachwasser und Riffs umgehen sind, MÜSSEN wir entlang des Verkehrstrennungsgebietes durch den Old Bahama Channel. Und der fordert uns! Und zwar richtig! Der Wind kommt direkt von vorne und zwar IMMER! Egal in welche Richtung wir kreuzen, er dreht genau dahin wo wir hin wollen. Und das mit 25 Knoten. Dazu kommt eine unglaubliche West-Strömung. Teilweise haben wir eine Abdrift von 60 Grad (!!). Und unser Mädel kann alles, außer hart am Wind segeln. Für eine Entfernung von 300 Seemeilen brauchen wir 3 Tage und haben am Ende 500 Seemeilen auf der Logge. Die nächtlichen 3-Stunden-Wachen sind ermüdend und zerren an den Nerven.

Und trotzdem gibt es immer wieder erhabene Momente. DAS hier ist die Auseinandersetzung mit Naturgewalten, die der Mensch (zum Glück) immer noch nicht kontrollieren, ja, die er noch nicht mal konkret vorhersagen kann. Nur wenige Zentimeter Rumpf trennen dich von dem 1 Kilometer entfernten Meeresboden. Deine Füße stehen fest auf dem Schiff, die Beine sind weich, du spürst sie, das Material in seiner Gesamtheit wird zu einer Einheit mit der du dich verbindest, deine Hände am Ruder versuchen sie sanft und nachgebend und doch gleichzeitig fest auf dem Kurs zu halten, Wind und Wellen ziehen durch deinen Körper. Es gibt wenige Momente, in denen ich mich so lebendig fühle. Es ist die Auseinandersetzung mit bekannten aber nicht kontrollierbaren Kräften, die das Adrenalin kitzelt. Die Möglichkeit einer Gefahr und dessen Frontierung.

Dazu kommen dann noch so’n paar zusätzliche Gimmicks wie sich einen Lobster Cage einfangen (Tina läßt sich auf einmal kaum noch steuern. Ich blicke mich um und sehe ich eine Turbo-gesteuerte Schildkröte hinter uns her schwimmen. Als das Ding jedoch anfängt eine eigene Welle zu werfen, muss ich erkennen, dass es sich nicht um eine von den Amis Gen-manipulierte Kampf-Turtle handelt, sondern einem Käfig, den wir hinter uns her ziehen. Also Genua runter, in Wind drehen, Antje springt mal wieder ins Wasser (nicht ohne mir vorher von Walter versichern zulassen, dass er mich auch wieder einfängt, sollte Tina auf einmal loszischen) und befreit den Tampen, der in der Schraube hängen geblieben ist. Zum Glück hatten wir weder den Motor noch die Schraube mitlaufen, und so gab es keinen weiteren Schaden). Zur Abenddämmerung werden wir von den US Coast Guards abgefangen und auf illegale Drogen oder Immigranten durchsucht. Wie sich herausstellte, haben unsere Navigationslichter eine Reichweite von ca. 10 Metern. Und die Coast Guards dachten wir würden heimlich still und leise im Dunkeln …. was auch immer machen. Die Mädels (!!) gaben dann aber auch zu, dass wir das einzigste Schiff in der Umgebung waren … wahrscheinlich war ihnen einfach nur langweilig :- ) Ab jetzt fahren wir also mit der Tricolore, oben am Mast, die zwar ein ziemlicher Stromfresser, aber auf jeden Fall sichtbar ist. In der zweiten Nacht verjagen uns dann gleich 4 Schnellboote der kubanischen Regierung weil wir uns einer Bohrinsel zu sehr nähern … Wie man sieht: für Unterhaltung wird gesorgt.

Mit dem letzten Tageslicht gehen wir bei der Punta de Practicos am kubanischen Festland illegal – da nicht einklariert – vor Anker. Mit mehreren Anläufen, schlechter Ankergrund, nicht weiter zu empfehlen, aber irgendwann hängt der Anker sich dann doch fest. Wir geben noch alle zur Verfügung stehende Ankerkette raus, fallen tod in die Koje und schlafen 12 Stunden durch.

Die Bucht sieht richtig süß aus im neuen, ausgeschlafenen Tageslicht. Kurz bevor ich über Bord fürs Morgenbad springe, fällt mir jedoch etwas komisches auf: wir haben halben Wind … HÄ??? Wie geht das denn?? Wenn man vor Anker liegt, dreht der Bug sich eigentlich automatisch IMMER in den Wind … auf der Logge stehen 1,8 Knoten, und das obwohl wir fest stehen bzw. liegen und das in einer Wind Geschützen Bucht. Ein Glück bin ich nicht ins Wasser gesprungen! Bei der Strömung komme ich kaum mit den Flossen zum Bug der Tina, um den Anker zu checken.

Na dann, auf in den nächsten Kampf!