Domenikanische Republik
Marina Casa de Campo
Am nächsten Tag, Sonntag, Ruhetag in der Touriabfertigung, wollen wir einen Spaziergang entlang des Traumstrandes machen. Leider vergessen wir das Autan-Mückenspray und werden regelrecht ausgesaugt. Wir flüchten zurück an Bord. Während ich normalerweise für Walter den Mückenschutz mache (in meiner Nähe verschonen sie ihn und stechen nur mich) hat es ihn diesmal richtig erwischt, mindestens 100 Stiche an Rücken und Beine und zwar von den Fiesen, die die fünf Tage lang jucken.
Wir liften den Anker und machen uns auf den Weg. Vor der Villa von Bill Gates drehen wir ab in die Marina Casa de Campo und machen erste Kontakte mit den Einheimischen. Die Prozedur des Einklarierens wird großer Bedeutung angemessen, doch alle sind gut gelaunt und wir ergeben uns lächelnd unserem Schicksal. Es kommen mindestens 5 verschiedene Autoritäten vorbei und an Bord, alle mächtig wichtig, alle fragen immer wieder das Gleiche, klettern an Bord, wollen den Ausweis sehen, oder schicken jemanden der unsere Ausweise abholt und sie Ihnen bringt, wobei ich hier von Lieferservicen spreche, die keine 10 Meter betragen (Mr. Wichtig sitzt auf der Mole unter der Palme und schickt seinen Lakaien zu uns aufs Schiff und lässt sich das jeweilige Papier bringen!!!!). Wo kommen sie her wo wollen sie hin wem gehört das Schiff ist das ihr Mann, Freund, Onkel wie verdienen sie ihr Geld wo wohnen sie wieviele Drogen haben sie an Bord. Fleißig werden Bilge Deckel hoch gehoben und Küchenschränke inspiziert. Wobei die Durchsuchungen wirklich sehr halbherzig sind und mehr eine Daseinsberechtigung darstellen. Da ich zum Glück fließend Spanisch spreche und die Dominikaner wirklich WIRKLICH nett sind, freundlich und immer am lachen, fühlt es sich mehr nach einem Sonntagnachmittags Plausch mit Freunden an. Lächerliche drei Stunden und 105$ weniger sind wir einklariert und werden zu unserem Platz gewiesen: J25-J26. Obwohl alle mit dem Heck und Buganker liegen, dürfen wir längsseits an die Pier und besetzen zwei Plätze, berechnet wird uns aber nur unsere Länge, nicht die Breite, was bei einem Katamaran immerhin eine 50% Preisreduzierung bedeutet. Die Liegegebühren betragen 50$ am Tag, was in Anbetracht der wirklich wunderschönen, gepflegten Marina preiswert ist.
Wir fühlen uns wohl hier! Gehen abends schön auf dem Plätzchen essen und genießen die Freundlichkeit aller. Es ist wirklich auffallend: alle sind einfach nur nett, hilfsbereit und am lachen. Und es ist überhaupt nicht aufgesetzt, die Menschen erscheinen einfach glücklich. Am nächsten Tag mieten wir uns einen Roller und fahren ein wenig in der Gegend rum. Zum berühmten Golfplatz “diente de perro”, der acht Fairways direkt am Meer entlang hat und den stolzen Preis von 295$! Dann zu den “Altos de Chavon”, einer kleinen römischen Stadt die ??weiss nicht mehr wer?? als Geschenk für seine Tochter bauen ließ. Die Strassen sind gepflegt, die Villen Gegend einmalig: noch nie habe ich soviel Reichtum so schön und dezent und freundlich dargestellt gesehen. Keiner der Villen hat Zäune, alles ist mit unglaublichen Geschmack angelegt. Natürlich ist es ein Ghetto: alle Ausfahrtsstraßen haben Strassensperren um das “Gesindel” und den Dschungel draußen zu lassen. An jeder Kreuzung steht ein Polizist, hält die Einheimischen an, damit die Anwohner (und wir beiden weißen Touris auf dem Roller gehören wohl für einen kleinen Augenblick dazu) freie Fahrt haben.
Zwei Tage später klarieren wir wieder aus. Natürlich muss das Schiff wieder einer nicht-gründlichen Inspektion unterzogen werden. Aber immerhin dauert es diesmal nur knapp zwei Stunden und kostet auch nur 20$. Wir sagen aus, dass wir in Richtung Haiti fahren und segeln nach Westen.
Boca Chica
Und wir hatten geglaubt, das Ein- und Ausklarieren war nervig bisher. HA! Nun werden wir eines besseren belehrt.
Wir haben keine Lust auf Nachtfahrt und da wir uns zur Abenddämmerung kurz vor Santo Domingo in der Bucht von Boca Chica befinden, beschließen wir kurz vor Anker zu gehen, ein bisschen was einzukaufen und ein paar Stunden zu schlafen. Welch FATALER Entschluss! Die Einfahrt ist tricky und auf keinen Fall im Dunkeln zu empfehlen. Kaum sind wir durch die betonnte schmale Einfahrt ins Hafengebiet gelangt, kommt uns ein Boot entgegen und geleitet uns in den Hafen. Mit Müh und Not überzeugen wir ihn, dass wir nur an die Mooring wollen. OK, aber Sie müssen sich gleich bei der Commandancia melden. Natürlich, machen wir. Wir fahren mit dem Dinghy an Land und wollen schnell zum Supermarkt, bevor sie zu machen. Fehlanzeige. Die Marina ist komplett eingezäunt und am einzige beschrankten Ausgang stehen fünf Wichtige und fangen an uns auszufragen. Wir wollen doch nur was Einkaufen!!! Vergiss es! Weder dürfen wir die Marina verlassen, noch den Hafen. Vom 1. Tentiente (Lieutenant?) der Dominikanischen Kriegsmarine (!) werden wir aufgeklärt, dass wir offiziell einklarieren müssen. Und zwar überall auf der Domenikanischen, egal wo auch immer wir an Land gehen. UND es ist nicht erlaubt, die Marina nach 18:00 Uhr auf dem Meerweg zu verlassen. Außerdem ist das Einklarieren auch nicht nach 18:00 Uhr möglich. Allmählich werden wir sauer, wir drohen den Hafen sofort wieder zu verlassen und es werden wichtige Anrufe getätigt. Uns bleibt nichts anderes übrig als das ganze Procedere über uns ergehen zu lassen. Wir versuchen freundlich zu bleiben, um weitere Schikanen zu entgehen, setzen uns erstmal in die Marinakneipe und trinken ein Bier auf den Schreck. Wieder drei Stunden, diesmal ist die Inspektion ausführlicher. Als Walter sich von d mit Alkohol gefüllten Sitzbank erhebt, öffnen sie auch diese, bleiben jedoch beim Anblick von 20 Flaschen Hochprozentigen vollkommen uninteressiert … Okäääääääiiii ….
Der 1. Teniente erbarmt sich schließlich unser und bietet uns an, uns zum Supermarkt zu bringen obwohl uns die Lust inzwischen gründlich vergangen ist, aber wir müssen ja unsere Absicht wahren, immerhin hatten wir Einkauf und Motorüberprüfung als Grund für die kriminalistische Änderung unserer Pläne angegeben (wieso sind sie hier eingelaufen, wenn sie doch in Marina Casa de Campo angegeben haben, dass sie nach Haiti wollen??!!). Also verlassen wir mit ihm und drei weiteren militärisch Gekleideten die Marina …. Und werden mit sofortiger Wirkung in die domenikanische Wirklichkeit geworfen: Kinder in zerrissen dreckigen Lumpen spielen auf der Straße, emotionslos wirkende Männer mit Waffen im Hosenbund stehen an den Straßenecken (überhaupt laufen hier alle mit Waffen rum, sichtbar und sehr locker sitzend), mit Spucke zusammen geschweisste Häuser, eine Menschenmenge, Polizisten mit Maschinengewehren machen eine Razzia, abstrakte Blech-Irgendwas fahren ohne Licht in einem Affenzahn über die nicht beleuchteten, mit riesen Schlaglöchern übersäten Strassen, mit LED Lichtern aufgepeppte LKW’s brettern mit 80 km/h unter der roten Ampel durch, Strassenstände mit kaum Lebensmitteln, streunende Hunde schnappen nach verfaulten Essensresten im Gulli. Ich habe vor 15 Jahren mal in der Dom Rep. gearbeitet, Walter’s Tochter war hier 5 Jahre beschäftigt, wir kennen also die Zustände, waren jedoch nicht darauf vorbereitet. Ohne die Begleitung unseres Einheimischen wären wir – wenn lebend – in Unterwäsche zurück zum Schiff gelangt. Wir geben ihm 20$ für die Fahrdienste und verbleiben mit ihm für morgen 8 Uhr zum ausklarieren.
Leider begehe ich den Fehler, ohne Frühstück an Land zu fahren. Unterzuckert schaffe ich es nicht, freundlich zu bleiben, die unglaubliche Unfähigkeit, das vollkommen undurchdachte, unnötige, sowieso im Papierkorb endende Formular-Ausgefülle, die Auskostung des niederträchtigen Machtgebährens treiben mich fast in die Weißglut. Sie wollen Kopien unserer Ausweis, haben aber keinen funktionierende Kopierer, der General, der nicht in der Marina sitzt und sich auch nicht herab lässt herzu kommen, lässt alle Papiere von seinen Untergebenen zu ihm fahren. Wir müssen eine notariell aussehendes Schriftzug unterschreiben, in dem bis ins kleinste Detail festgehaltenwird, wieso wir es gewagt haben, hier an Land zu gehen. Sein Name wird falsch geschrieben, alles beginnt von vorne, die Formulare müssen neu geschrieben werden und wieder hin- und hergefahren werden. Wieder wird das ganze Boot durchsucht. Der Wichtigtuer sucht diesmal Drogen in meiner Unterwäsche und zählt die OB’s in meinem Necessaire, während ich mich auf meine Atmung und auf Walter konzentriere, der zum Glück vollkommen ruhig bleibt. Um halb elf kriegen wir ihren Segen (der uns ausnahmsweise mal nichts kostet), eine Entschuldigung wegen der Unannehmlichkeiten (wir sind doch auch nur “Mandados”, von Anderen geschickt, befohlende Ausführende) und dürfen endlich gehen.
Ich bin hochgradig emphatisch, in dem Grade das ich die Gefühle anderer Menschen erfühle, bei Personen, die mir Nahe stehe, sogar als meine eigenen annehme. Das ist manchmal ziemlich lästig, aber ausnahmsweise mal sehr gut. Walter ist sanft und ruhig, macht mir erstmal Frühstück und bringt mich wieder runter. Das auf meinem Gesicht eingefrorene Lächeln entspannt sich und wir diskutieren lange über die vorherrschenden Missstände. Egal ob Andersfarbige, Andersdenkende oder Andersverdienende, jegliche Art von ver- oder vorurteilender Rassismus ist mir fremd, aber “wenn Schiet wat ward”… Das ist ein ganz schrecklich herablassender Spruch, aber gleichzeitig so furchtbar schrecklich wahr. Es ist nachvollziehbar, das Menschen, die Nichts haben, zu mindestens durch die Ausübung ihrer wenn auch noch so kleinen Machtstellung, Genugtuung erfahren. In einer ungebildeten, unzivilisierten Umgebung, werden die menscheneigenen Machtgelüste dann natürlich auch schnell “abused”. Wobei “unzivilisiert” vielleicht garnicht richtig ist. Viele sogenannte “unzivilisierten” Völker leben (oder vielleicht besser lebten) in Harmonie und Einklang mit der Natur und ihrer Gemeinschaft. Vielleicht ist es gerade der “Köder” der Zivilisation, das “Anfixen” an die Möglichkeiten, die eine Zivilisation mit sich bringt, der Grund. Vielleicht stehen sie einfach nur an der ersten Stufe der Leiter, während wir, die wir Freiheit und Selbstbestimmung als selbstverständlich erachten, einfach nur das Resultat mehrerer Generationen der Leiter hochkletternden Vorreiter sind. Wobei das “hoch” relativ ist, vielleicht gehen wir ja auch runter. Ist die Zivilisation (=Evolution?) am Ende ein Gang in den Abgrund? Gibt es überhaupt ein Ende oder ist die Leiter vielleicht ein Kreis und wir müssen erst in den Abgrund bevor es wieder hoch geht? Wären wir nicht alle am liebsten Avatare auf Pandora?
Ich bin erfüllt von Demut und Dankbarkeit, in Europa geboren und aufgewachsen zu sein, einer der zivilisiertesten und freisten Regionen der Welt.
Am nächsten Tag, Sonntag, Ruhetag in der Touriabfertigung, wollen wir einen Spaziergang entlang des Traumstrandes machen. Leider vergessen wir das Autan-Mückenspray und werden regelrecht ausgesaugt. Wir flüchten zurück an Bord. Während ich normalerweise für Walter den Mückenschutz mache (in meiner Nähe verschonen sie ihn und stechen nur mich) hat es ihn diesmal richtig erwischt, mindestens 100 Stiche an Rücken und Beine und zwar von den Fiesen, die die fünf Tage lang jucken.
Wir liften den Anker und machen uns auf den Weg. Vor der Villa von Bill Gates drehen wir ab in die Marina Casa de Campo und machen erste Kontakte mit den Einheimischen. Die Prozedur des Einklarierens wird großer Bedeutung angemessen, doch alle sind gut gelaunt und wir ergeben uns lächelnd unserem Schicksal. Es kommen mindestens 5 verschiedene Autoritäten vorbei und an Bord, alle mächtig wichtig, alle fragen immer wieder das Gleiche, klettern an Bord, wollen den Ausweis sehen, oder schicken jemanden der unsere Ausweise abholt und sie Ihnen bringt, wobei ich hier von Lieferservicen spreche, die keine 10 Meter betragen (Mr. Wichtig sitzt auf der Mole unter der Palme und schickt seinen Lakaien zu uns aufs Schiff und lässt sich das jeweilige Papier bringen!!!!). Wo kommen sie her wo wollen sie hin wem gehört das Schiff ist das ihr Mann, Freund, Onkel wie verdienen sie ihr Geld wo wohnen sie wieviele Drogen haben sie an Bord. Fleißig werden Bilge Deckel hoch gehoben und Küchenschränke inspiziert. Wobei die Durchsuchungen wirklich sehr halbherzig sind und mehr eine Daseinsberechtigung darstellen. Da ich zum Glück fließend Spanisch spreche und die Dominikaner wirklich WIRKLICH nett sind, freundlich und immer am lachen, fühlt es sich mehr nach einem Sonntagnachmittags Plausch mit Freunden an. Lächerliche drei Stunden und 105$ weniger sind wir einklariert und werden zu unserem Platz gewiesen: J25-J26. Obwohl alle mit dem Heck und Buganker liegen, dürfen wir längsseits an die Pier und besetzen zwei Plätze, berechnet wird uns aber nur unsere Länge, nicht die Breite, was bei einem Katamaran immerhin eine 50% Preisreduzierung bedeutet. Die Liegegebühren betragen 50$ am Tag, was in Anbetracht der wirklich wunderschönen, gepflegten Marina preiswert ist.
Wir fühlen uns wohl hier! Gehen abends schön auf dem Plätzchen essen und genießen die Freundlichkeit aller. Es ist wirklich auffallend: alle sind einfach nur nett, hilfsbereit und am lachen. Und es ist überhaupt nicht aufgesetzt, die Menschen erscheinen einfach glücklich. Am nächsten Tag mieten wir uns einen Roller und fahren ein wenig in der Gegend rum. Zum berühmten Golfplatz “diente de perro”, der acht Fairways direkt am Meer entlang hat und den stolzen Preis von 295$! Dann zu den “Altos de Chavon”, einer kleinen römischen Stadt die ??weiss nicht mehr wer?? als Geschenk für seine Tochter bauen ließ. Die Strassen sind gepflegt, die Villen Gegend einmalig: noch nie habe ich soviel Reichtum so schön und dezent und freundlich dargestellt gesehen. Keiner der Villen hat Zäune, alles ist mit unglaublichen Geschmack angelegt. Natürlich ist es ein Ghetto: alle Ausfahrtsstraßen haben Strassensperren um das “Gesindel” und den Dschungel draußen zu lassen. An jeder Kreuzung steht ein Polizist, hält die Einheimischen an, damit die Anwohner (und wir beiden weißen Touris auf dem Roller gehören wohl für einen kleinen Augenblick dazu) freie Fahrt haben.
Zwei Tage später klarieren wir wieder aus. Natürlich muss das Schiff wieder einer nicht-gründlichen Inspektion unterzogen werden. Aber immerhin dauert es diesmal nur knapp zwei Stunden und kostet auch nur 20$. Wir sagen aus, dass wir in Richtung Haiti fahren und segeln nach Westen.
Boca Chica
Und wir hatten geglaubt, das Ein- und Ausklarieren war nervig bisher. HA! Nun werden wir eines besseren belehrt.
Wir haben keine Lust auf Nachtfahrt und da wir uns zur Abenddämmerung kurz vor Santo Domingo in der Bucht von Boca Chica befinden, beschließen wir kurz vor Anker zu gehen, ein bisschen was einzukaufen und ein paar Stunden zu schlafen. Welch FATALER Entschluss! Die Einfahrt ist tricky und auf keinen Fall im Dunkeln zu empfehlen. Kaum sind wir durch die betonnte schmale Einfahrt ins Hafengebiet gelangt, kommt uns ein Boot entgegen und geleitet uns in den Hafen. Mit Müh und Not überzeugen wir ihn, dass wir nur an die Mooring wollen. OK, aber Sie müssen sich gleich bei der Commandancia melden. Natürlich, machen wir. Wir fahren mit dem Dinghy an Land und wollen schnell zum Supermarkt, bevor sie zu machen. Fehlanzeige. Die Marina ist komplett eingezäunt und am einzige beschrankten Ausgang stehen fünf Wichtige und fangen an uns auszufragen. Wir wollen doch nur was Einkaufen!!! Vergiss es! Weder dürfen wir die Marina verlassen, noch den Hafen. Vom 1. Tentiente (Lieutenant?) der Dominikanischen Kriegsmarine (!) werden wir aufgeklärt, dass wir offiziell einklarieren müssen. Und zwar überall auf der Domenikanischen, egal wo auch immer wir an Land gehen. UND es ist nicht erlaubt, die Marina nach 18:00 Uhr auf dem Meerweg zu verlassen. Außerdem ist das Einklarieren auch nicht nach 18:00 Uhr möglich. Allmählich werden wir sauer, wir drohen den Hafen sofort wieder zu verlassen und es werden wichtige Anrufe getätigt. Uns bleibt nichts anderes übrig als das ganze Procedere über uns ergehen zu lassen. Wir versuchen freundlich zu bleiben, um weitere Schikanen zu entgehen, setzen uns erstmal in die Marinakneipe und trinken ein Bier auf den Schreck. Wieder drei Stunden, diesmal ist die Inspektion ausführlicher. Als Walter sich von d mit Alkohol gefüllten Sitzbank erhebt, öffnen sie auch diese, bleiben jedoch beim Anblick von 20 Flaschen Hochprozentigen vollkommen uninteressiert … Okäääääääiiii ….
Der 1. Teniente erbarmt sich schließlich unser und bietet uns an, uns zum Supermarkt zu bringen obwohl uns die Lust inzwischen gründlich vergangen ist, aber wir müssen ja unsere Absicht wahren, immerhin hatten wir Einkauf und Motorüberprüfung als Grund für die kriminalistische Änderung unserer Pläne angegeben (wieso sind sie hier eingelaufen, wenn sie doch in Marina Casa de Campo angegeben haben, dass sie nach Haiti wollen??!!). Also verlassen wir mit ihm und drei weiteren militärisch Gekleideten die Marina …. Und werden mit sofortiger Wirkung in die domenikanische Wirklichkeit geworfen: Kinder in zerrissen dreckigen Lumpen spielen auf der Straße, emotionslos wirkende Männer mit Waffen im Hosenbund stehen an den Straßenecken (überhaupt laufen hier alle mit Waffen rum, sichtbar und sehr locker sitzend), mit Spucke zusammen geschweisste Häuser, eine Menschenmenge, Polizisten mit Maschinengewehren machen eine Razzia, abstrakte Blech-Irgendwas fahren ohne Licht in einem Affenzahn über die nicht beleuchteten, mit riesen Schlaglöchern übersäten Strassen, mit LED Lichtern aufgepeppte LKW’s brettern mit 80 km/h unter der roten Ampel durch, Strassenstände mit kaum Lebensmitteln, streunende Hunde schnappen nach verfaulten Essensresten im Gulli. Ich habe vor 15 Jahren mal in der Dom Rep. gearbeitet, Walter’s Tochter war hier 5 Jahre beschäftigt, wir kennen also die Zustände, waren jedoch nicht darauf vorbereitet. Ohne die Begleitung unseres Einheimischen wären wir – wenn lebend – in Unterwäsche zurück zum Schiff gelangt. Wir geben ihm 20$ für die Fahrdienste und verbleiben mit ihm für morgen 8 Uhr zum ausklarieren.
Leider begehe ich den Fehler, ohne Frühstück an Land zu fahren. Unterzuckert schaffe ich es nicht, freundlich zu bleiben, die unglaubliche Unfähigkeit, das vollkommen undurchdachte, unnötige, sowieso im Papierkorb endende Formular-Ausgefülle, die Auskostung des niederträchtigen Machtgebährens treiben mich fast in die Weißglut. Sie wollen Kopien unserer Ausweis, haben aber keinen funktionierende Kopierer, der General, der nicht in der Marina sitzt und sich auch nicht herab lässt herzu kommen, lässt alle Papiere von seinen Untergebenen zu ihm fahren. Wir müssen eine notariell aussehendes Schriftzug unterschreiben, in dem bis ins kleinste Detail festgehaltenwird, wieso wir es gewagt haben, hier an Land zu gehen. Sein Name wird falsch geschrieben, alles beginnt von vorne, die Formulare müssen neu geschrieben werden und wieder hin- und hergefahren werden. Wieder wird das ganze Boot durchsucht. Der Wichtigtuer sucht diesmal Drogen in meiner Unterwäsche und zählt die OB’s in meinem Necessaire, während ich mich auf meine Atmung und auf Walter konzentriere, der zum Glück vollkommen ruhig bleibt. Um halb elf kriegen wir ihren Segen (der uns ausnahmsweise mal nichts kostet), eine Entschuldigung wegen der Unannehmlichkeiten (wir sind doch auch nur “Mandados”, von Anderen geschickt, befohlende Ausführende) und dürfen endlich gehen.
Ich bin hochgradig emphatisch, in dem Grade das ich die Gefühle anderer Menschen erfühle, bei Personen, die mir Nahe stehe, sogar als meine eigenen annehme. Das ist manchmal ziemlich lästig, aber ausnahmsweise mal sehr gut. Walter ist sanft und ruhig, macht mir erstmal Frühstück und bringt mich wieder runter. Das auf meinem Gesicht eingefrorene Lächeln entspannt sich und wir diskutieren lange über die vorherrschenden Missstände. Egal ob Andersfarbige, Andersdenkende oder Andersverdienende, jegliche Art von ver- oder vorurteilender Rassismus ist mir fremd, aber “wenn Schiet wat ward”… Das ist ein ganz schrecklich herablassender Spruch, aber gleichzeitig so furchtbar schrecklich wahr. Es ist nachvollziehbar, das Menschen, die Nichts haben, zu mindestens durch die Ausübung ihrer wenn auch noch so kleinen Machtstellung, Genugtuung erfahren. In einer ungebildeten, unzivilisierten Umgebung, werden die menscheneigenen Machtgelüste dann natürlich auch schnell “abused”. Wobei “unzivilisiert” vielleicht garnicht richtig ist. Viele sogenannte “unzivilisierten” Völker leben (oder vielleicht besser lebten) in Harmonie und Einklang mit der Natur und ihrer Gemeinschaft. Vielleicht ist es gerade der “Köder” der Zivilisation, das “Anfixen” an die Möglichkeiten, die eine Zivilisation mit sich bringt, der Grund. Vielleicht stehen sie einfach nur an der ersten Stufe der Leiter, während wir, die wir Freiheit und Selbstbestimmung als selbstverständlich erachten, einfach nur das Resultat mehrerer Generationen der Leiter hochkletternden Vorreiter sind. Wobei das “hoch” relativ ist, vielleicht gehen wir ja auch runter. Ist die Zivilisation (=Evolution?) am Ende ein Gang in den Abgrund? Gibt es überhaupt ein Ende oder ist die Leiter vielleicht ein Kreis und wir müssen erst in den Abgrund bevor es wieder hoch geht? Wären wir nicht alle am liebsten Avatare auf Pandora?
Ich bin erfüllt von Demut und Dankbarkeit, in Europa geboren und aufgewachsen zu sein, einer der zivilisiertesten und freisten Regionen der Welt.
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