Ein Winter in der Sonne

Reisebericht Karibikfahrt 2012/13

Begegnung mit dem Unerwarteten oder "Was ist Glück"

Anguilla
eigentlich wollten wir zum Prickly Pear Cays (Insel vor und Teil von Anguilla). Als wir dann aber in einer Broschüre lesen, dass dort ein Marine Park ist und man dafür eine Cruising Permission braucht und wenn man die nicht hat, 6 Monate ins Gefängnis kommt und wir irgendwie nicht so viel Bock auf karibisches Gefängnis haben, fahren wir in den Road Bay, der “must-go” für die Genehmigung …. Und finden unser erstes Paradies.

Ich mein, wir sind ja schon im Paradies, abgesehen davon dass wir im fernen Europa auch schon in einem leben, aber genau DAS ist es, was wir es uns vorgestellt haben … Puderzucker Sand, ein paar Boote, die in der Bucht ankern, 3 oder 4 Restaurants direkt am Strand mit Wohnzimmer-Wohlfühl-Atmosphäre, Sonntags-Brunch-Jazz-Bude, ein paar Schwarze, ein paar Bootsleute, vielleicht sogar den ein oder anderen Touri, dazwischen ein Leinwand, wo American Football drüber flimmert, eine Holztheke, Rapper mit Käppi servieren das eiskalte Bier. Und ein sowas von relaxte Stimmung, dass man eigentlich nie wieder wo anders hin will. Und das schönste daran (oder eben vielleicht genau deswegen so schön): es kam komplett unerwartet! Hätten wir den Ort gekannt und dort schon mal eine schöne Zeit verbracht und wären wir jetzt wieder gekommen um dies zu wiederholen, so wäre das Glücksgefühl niemals so erhaben gewesen. So unverhofft und überraschend aber, erfühlt uns ein so freudiges Inneres ruhige Glücksgefühl, welches man eben nur fühlt, wenn man keine Erwartungen hat. Und erneut lehrt uns das Leben eine Lektion: Erwarte nichts, sondern begegne den Tag mit unverbrauchten, offenen und neugierigen Augen. Und du wirst belohnt.

Wir dinieren im Roys Restaurant, die Oberkellnerin ist Amerikanerin und spitzenklasse! Genau so wie man es sich vorstellt (das blitzblanke Smile, die Servicebereitschaft, das ” you are so very welcome”) und doch kommt es überhaupt nicht oberflächlich rüber, sondern einfach nur nett. Wir machen ein wenig Smalltalk, sie kommt aus New York, ihr Mann führt hier die lokale Kommunikationszentrale (oder so ähnlich), wir erzählen ihr, dass wir direkt aus Spanien angereist sind, jaja mit dem Flieger aus St.Maarten, nene, auf dem direkten Weg, aber mit Boot, hat halt nur ‘n bisschen länger als mit dem Flieger gedauert …. Wir fühlen uns wohl, das Essen ist lecker, der Wein so nice, die Fackeln im Sand, das Wellenrauschen dezent. Unsere Boots-Nachbarn (Bekannte aus Puerto Andratx!!!!!!) erzählen uns vom Sonntags-Brunch und wir bleiben. Der Brunch: Bretterbruchbude, kaputte Trommeln, schwarzer karibischer Jazz, Luis Armstrong Verschnitt, kaltes Bier, lecker Grillfleisch, Palmen, Füsse im Puderzucker, einfach nur sitzen, sehen, füllen, hören, genießen, man kommt sofort ins Gespräch mit Jedem, die Zeit bleibt stehen, die Gedanken auch.
   

Die Abend-Kneipe ist eine herrliche Personenstudie: hier gibt’s alles, die zwei sowas von typischen “American-Teenager-Girls” die kichernd an der Theke sitzen, die Boaties, die Einheimischen, die Villenbesitzer, die Professionelle, die älteren Herrschaften, die Kiffer, die am Strand sexelnden Jugendliche. Wir erfahren unter anderem, dass der Grund für unsere Misserfolge beim Angeln (seit Tagen beißt kein Fisch mehr an) die ökonomischen Globalisierung ist (!!!!!!) ich falle immer noch vor Lachen vom Stuhl und amüsieren uns prächtig.


Wenn das so weiter geht, werden wir am Ende noch Zen-Mönche, denen selbst die Mallorquiner zu hektisch sind )))

6. Januar
Irgendwie scheint es als wäre die Zeit stehen geblieben … oder vielleicht gibt es die Zeit ja garnicht mehr … oder sie ist hier langsamer als anderswo … oder vielleicht haben wir sie einfach ausgeschaltet. Die Tage gehen ineinander über, sie gleichen einander und sind doch so verschiedenen, vor allem aber sind sie eins: das Bewusstsein im Jetzt. Es gibt nichts anderes als den Momenten, wir sind müde – wir schlafen, wir haben Hunger – wir essen, der Wassertank hat ein Leck – wir fahren in die Marina und reparieren ihn, wir haben Durst – wir machen Landgang … wir leben das Leben in seiner pursten Essenz.
Alltägliches wird Bewusstheit, alles andere wird nebensächlich, gewinnt mehr und mehr Abstand. Jahr? Geht gerade noch, aber auch nur, weil wir gerade Sylvester hatten, aber Tag? Oder sogar Uhrzeit?? Hab ich überhaupt eine Uhr?